Abgesehen von Obst und Schnittgut hat die Streuobstwiese noch mehr zu bieten. Neben seltenen Pflanzenarten im Unterwuchs der Gehölze ist es besonders die Vogelwelt, die charakteristische Arten zeigt. Abhängig vom Nahrungs- und Nistangebot findet man unterschiedliche Arten- und Individuenreichtum. Als Mensch hat man besonders auf die Bäume beziehungsweise die gesamte Baumstruktur der Streuobstwiese hohen Einfluss. Damit verändert sich dann die Artenzusammensetzung, genauso wie mit dem Vorhandensein von Kleinstrukturen oder dem negativen Einfluss der intensiven Freizeitnutzung. Falls Sie daran interessiert sind, was es alles (und darüber hinaus natürlich noch viel mehr) zum Naturschutz in Filderstadts Streuobstwiesen zu sagen gibt, dann sind Sie in diesem Artikel genau richtig.

 

Wiesen

Streuobstwiesen sind keine natürliche Landschaft, sondern Kulturlandschaft, also vom Menschen geprägt. Salbei-GlatthaferwieseNichtsdestotrotz sind sie ökologisch sehr wertvoll. Neben den Standortverhältnissen ist die Art des Mähens der entscheidende Faktor für die Entstehung des jeweiligen Wiesentyps. Spätes Mähen ab Ende Juni bringt die größte Artenvielfalt. Der "gepflegte" Rasen ist ein Artenfriedhof. Je ähnlicher der früheren Wiesennutzung, desto artenreicher die Wiesenflora. Wichtig ist das Abräumen, da sonst wieder Nährstoffeintrag stattfindet. Für artenreiche Varianten kann die Wiese auch mit Samen benachbarter artenreicher, blühbunter Wiese "geimpft" werden. So entstehen wichtige regionale Genpools und Nahrungsquellen für viele Pflanzenspezialisten wie Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Bei Kartierungen der letzten Jahre wurden im Gebiet in Filderstadts Offenland (Großteil: Streuobstwiesen) 500 verschiedene Pflanzenarten festgestellt. Den Rekord hält ein Grundstück im Bechtenrain mit 136 Sorten während eines einzigen Vegetationsjahres. Normalerweise rechnet man mit 40 bis 50 Arten. Charakteristische Arten, die an extensive und späte Wiesennutzung gebunden sind und in Wirtschaftswiesen gar nicht mehr auftreten, sind zum Beispiel: Wiesen-Glockenblume, Wiesen-Bocksbart, Wiesen-Margerite, Wiesen-Salbei, Wiesen-Ampfer, Wiesen-Flockenblume, Wiesen-Skabiose, Wiesen-Hafer, Wiesen-Platterbse und Wiesen-Pippau. Diese Arten kommen kaum noch in Filderstadt vor. Das liegt daran, dass fast alle Wiesen einer wirtschaftlichen Nutzung unterworfen sind. Sie werden oft gedüngt oder zu oft gemäht und damit die Wiesen-Pflanzen verdrängt, denn sie benötigen nährstoffarme Standorte.

 

Bäume

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Obstbäume sind Kulturpflanzen. Sie wurden durch den Menschen eingeführt und können deshalb nicht einfach sich selbst überlassen werden, sie benötigen Pflege. Wird diese Pflege vernachlässigt, leiden die Bäume darunter, sie vergreisen. Da die Bäume ein wesentlicher Bestandteil der Streuobstwiesen sind, leiden auch alle anderen Arten darunter. Einige Baumarten mit Infotafeln sind im Museumsobstgarten in Bonlanden zu finden.
Dann stellt sich natürlich die Frage, wie muss man dann eine Streuobstwiese pflegen, wie sollte sie optimal aussehen, um einen möglichst attraktiven Standort und somit großen Arten- und Individuenreichtum zu erhalten?

 

 

 

Laut Regierungspräsidium Stuttgart sollte eine Streuobstwiese, besonders für Vögel wie folgt aussehen:

Naturschutztabelle

 

Für Interessenten bietet die Stadt Filderstadt zusammen mit den Streuobst-GUIDES kostenlose Schnittkurse an. Hier erfahren Sie, wie Sie Ihre Bäume richtig pflegen können, damit sich diese selbst und viele weitere Tier- und Pflanzenarten wohlfühlen.

 

Vögel

Streuobstwiesen stellen für sehr viele Vogelarten einen idealen Lebensraum dar (vgl.: Mayer, E. (2008): Was haben Mosttrinker und die Vogelwelt gemeinsam? und Charaktervögel der Streuobstwiese. In: Natur- und Umweltschutz in Filderstadt. Spezialthema Streuobstwiesen. S. 38 - 47. Filderstadt).

Sie sind:

  • pflanzliche Nahrungsquelle (z.B. Obst, Samen von Bäumen und Gräsern, Knospen,…),
  • tierische Nahrungsquelle (z.B. Würmer, Insekten, Kleinsäuger und Kleinvögel),
  • als „Wohnraum“, von dem aus die Vögel sowohl auf Nahrungssuche gehen können und der gleichzeitig als Versteck und Schlafplatz dient,
  • als Brutplatz mit Nistangeboten für Höhlen- und Freibrüter.

Nisthilfen sind hilfreich, werden aber nicht von allen Vögeln angenommen. Achten Sie auf einen Abstand von 50 bis 100 Meter (je nach artenspezifischer Reviergröße), falls speziell auf eine Art ausgelegte Nisthilfen angebracht werden. Sie können frei hängen oder am Stamm befestigt werden, sollten aber marder- und katzensicher sein. Viele Charaktervögel der Streuobstwiese sind nämlich Höhlenbrüter, aber selbst nicht in der Lage, Höhlen zu zimmern. Sie beziehen Nisthilfen, alte Spechthöhlen oder Höhlen, die durch Fäulnis oder abgebrochene Äste (Windbruch, Schneebruch, zu starker Obstbehang) entstanden sind. Es lohnt sich also auch mal, einen starken, aber toten Ast unberührt zu lassen. Generell bilden sich in Obstbäumen mehr Höhlen als in Waldbäumen. Die meisten in Apfelbäumen, da diese relativ früh mit Pilzen besiedelt werden. Zudem sind grobborkige Bäume für Insekten sehr attraktiv.

Totholz ist aber auch für Sing- und Ansitzwarten und als Futterquelle (totholzliebende Insekten) wichtig. Besonders dickere Totholzäste sind wertvoll. Zu feines Totholz kann sich in zu großen Mengen auch negativ auswirken. Manche Insekten bewohnen aber gerade feines Totholz, also sollte nicht alles entfernt werden. Falls Bäume gefällt werden müssen, sollten unbedingt neue nachgepflanzt werden.

 

Typische Streuobstwiesenbewohner (vgl. Mayer 2008 und Regierungspräsidium Stuttgart 2010)

 

Der Halsbandschnäpper          Spechtarten, wie Grün-, Bunt- und Mittelspecht            Gartenrotschwanz

Halsbandschnaepper AC     Buntspecht AC     Gartenrotschwanz

 

Steinkauz

Steinkauz AC    

 

 

Vogelarten der Streuobstwiesen Filderstadts (nach Mayer, E. 2008)

Vogelart Anwesend Nistplatz Schutz
regelmäßige      
Mäusebussard ganzjährig Freibrüter  
Ringeltaube Sommer Freibrüter  
Steinkauz ganzjährig Höhle stark gefährdet
Grünspecht ganzjährig Höhle schonungsbed.
Buntspecht ganzjährig Höhle  
Kleinspecht ganzjährig Höhle gefährdet
Bachstelze Sommer Halnhöhle  
Zaunkönig ganzjährig Frei/Nische  
Heckenbraunelle - Freibrüter  
Rotkelchen ganzjährig Freibrüter  
Hausrotschwanz Sommer Höhle  
Gartenrotschwanz Sommer Höhle gefährdet
Amsel ganzjährig Freibrüter  
Wacholderdrossel ganzjährig Freibrüter  
Mönchsgrasmücke Sommer Freibrüter  
Zilpzalp Sommer Boden/Freibrüter  
Grauschnäpper Sommer Halbhöhle schonungsbed.
Halsbandschnäpper Sommer Höhle stark gefährdet
Sumpfmeise ganzjährig Höhle  
Blaumeise ganzjährig Höhle  
Kohlmeise ganzjährig Höhle  
Kleiber ganzjährig Höhle  
Gartenbaumläufer ganzjährig Höhle  
Elster ganzjährig Freibrüter  
Rabenkrähe ganzjährig Freibrüter  
Star Sommer Höhle  
Haussperling ganzjährig Höhle/Nische  
Feldsperling ganzjährig Höhle  
Buchfink ganzjährig Freibrüter  
Girlitz Sommer Freibrüter  
Grünling ganzjährig Freibrüter  
Stieglitz ganzjährig Freibrüter  
Goldammer ganzjährig Freibrüter  
unregelmäßige      
Türkentaube ganzjährig Freibrüter  
Wendehals Sommer Höhle stark gefährdet
Mittelspecht ganzjährig Höhle stark gefährdet
Baumpieper Sommer Boden gefährdet
Singdrossel Sommer Freibrüter  
Klappergrasmücke Sommer Freibrüter schonungsbed.
Gartengrasmücke Sommer Freibrüter  
Fitis Sommer Boden/Freibrüter schonungsbed.
Schwanzmeise ganzjährig Freibrüter  
Pirol Sommer Freibrüter schonungsbed.
Neuntöter Sommer Freibrüter gefährdet
Nahrungsgäste   Vorkommen  
Graureiher Winter selten  
Schwarzmilan Sommer selten  
Rotmilan Sommer regelmäßig  
Habicht ganzjährig regelmäßig  
Sperber ganzjährig regelmäßig  
Turmfalke ganzjährig regelmäßig  
Baumfalke Sommer selten  
Wanderfalke ganzjährig selten  
Mauersegler Sommer regelmäßig  
Waldkauz ganzjährig regelmäßig  
Grauspecht ganzjährig regelmäßig  
Rauchschwalbe Sommer regelmäßig  
Mehlschwalbe Sommer regelmäßig  
Misteldrossel ganzjährig regelmäßig  
Goldhähnchen ganzjährig selten  
Haubenmeise ganzjährig selten  
Tannenmeise ganzjährig selten  
Eichelhäher ganzjährig regelmäßig  
Hänfling ganzjährig regelmäßig  
Kernbeißer ganzjährig regelmäßig  
Durchzügler      
Wiedehopf Durchzügler selten  
Seidenschwanz Wintergast selten  
Braunkehlchen Durchzügler selten  
Rotdrossel Durchzügler regelmäßig  
Trauerschnäpper Durchzügler regelmäßig  
Saatkrähe Wintergast selten  
Bergfink Wintergast regelmäßig  
Erlenzeisig Wintergast regelmäßig  
Birkenzeisig Wintergast selten  
Gimpel Wintergast regelmäßig  
Ortolan Durchzügler selten  

 

Wie in der Tabelle aufgeführt, brüten 33 Vogelarten regelmäßig in unseren Streuobstwiesen. Ergänzend gibt es weitere elf Arten, die selten diese Gebiete als Bruthabitat nutzen. Erfreulich ist aber, dass von diesen 44 Arten 13 in der "Roten Liste" als besonders schutzwürdig eingestuft werden. Erwähnenswert ist auch, dass sieben von neun in Deutschland vorkommende Spechtarten in unseren Streuobstwiesen zu finden sind. Wir haben also auch in Sachen Vogelschutz eine verantwortungsvolle Aufgabe zu bewältigen.

 

Die ideale Streuobstwiese
Ideal sind also Streuobstbestände mit dichteren und lichteren Abschnitten (so siedeln sich noch mehr unterschiedliche Arten mit unterschiedlichen Vorlieben an). Die meisten Bäume sind Apfelbäume, gefolgt von weiteren Früchten, wenig Steinobst und vereinzelt mal ein paar Waldbäume. Gute Besonnung führt zu Kräuterreichtum der Wiesen, das ist gut für blütensuchende Insekten. Außerdem bleiben die Bäume gesünder, weil Pilze es eher feucht und dunkel mögen. Die Wiesen fungieren neben dem Obst auch als Nahrungslieferant. Ist extensives, arten- und blühreiches Grünland vorhanden, gibt es auch viele Insekten, die wiederum als Nahrungsquelle für Vögel verfügbar sind. Zu häufige Mahd, Düngung oder zu starke Beweidung wirken sich dagegen schlecht auf die Artenvielfalt aus. Optimal ist ein Mosaik aus verschiedenen Vegetationshöhen. Im dichten Gras können sich Insekten gut vermehren, im lichteren und lückigeren Beständen können Vögel auf die Jagd gehen. Kleinstrukturen wie Hecken, Gebüsche, Gräben, Graswege, Trockenmauern,… geben das gewisse Etwas und können für Arten wie den Neuntöter essentiell sein. Generell gilt auch: Je großflächiger, desto arten- und individuenreicher der Bestand. Oft ist eine Waldanbindung für Arten auch attraktiv.